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«BY GOD’S GRACE»

Ein nigerianisches Flüchtlingsdorf im Porträt


Nigeria ist mit 180 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Afrikas und der grösste Ölproduzent des Kontinents. Doch während die Wirtschaft wächst, steigt zugleich auch die extreme Armut im Norden des Landes; Korruption, Misswirtschaft, ethnische und religiöse Spannung, sowie ein tiefer Lebensstandard zeichnen die Nation.


Die mörderischen Angriffe der Terrormiliz Boko Haram machen aus Menschen Flüchtlinge im eigenen Land, gezwungen, aus dem Nichts eine neue Existenz aufzubauen. In der Flüchtlingssiedlung Gurku lernen MuslimInnen und ChristInnen, wieder in nachbarschaftlichen Verhältnissen zu leben, beide Opfer derselben Gewalt, beide ohne Heimat. Diese interreligiöse Zusammensetzung ist bezeichnend in einem Land, das mit den islamistisch motivierten Terroranschlägen Boko Harams eine religiöse Spaltung erlitten hat, und verleiht Gurku Pinoniercharakter. Das von NGOs gekaufte Land, auf dem Gurku entstand und noch immer entsteht, bietet den Vertriebenen Schutz und gewährt ihnen eine Normalisierung des Alltags.


Die NGOs haben Schulen für Kinder und Alphabetisierungskurse für Erwachsene eingerichtet, bieten Traumatherapien an und versorgen die rund 1’100 Menschen mit dem Überlebensnotwendigsten. Gurku auf humanitäre Hilfeangewiesen: Das Stück Land, das jede Familie zur Selbstversorgung erhält, deckt die täglichen Bedürfnisse nur knapp: Es braucht Zeit, bis sich die Menschen weitere Felder leisten und Arbeit in der Stadt finden können, bis das Ziel erreicht und Gurku ein selbständiges Dorf ist, das sich selber versorgen kann. Noch sind so alltägliche Dinge wie Elektrizität und Leitungswasser hier luxuriöse Einrichtungen, die viele von Gurkus Bewohnern und Bewohnerinnen aus einem früheren Leben kennen – aus einem Leben, das ihnen mit Gewalt entrissen wurde.


Das Leben in Gurku ist anstrengend, geprägt von Haus- und Feldarbeit, von Sorge und Trauer, aber auch von Erleichterung, von Vertrauen und von Mut. Entgegen der Hoffnungslosigkeit und der Perspektivlosigkeit, pflanzen die Menschen Getreide an, beten für Regen, beten für einen neuen Tag. Und mit jedem neuen Tag lernen sie, den Männern zu vergeben, von denen sie aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Beten und vergeben. Es ist ein Akt des sanftesten Widerstands gegen die Parolen von Hass und Bitterkeit, die ihr Land eingenommen haben. Es ist ein Weg, aus Ohnmacht und Traurigkeit noch einmal Hoffnung zu schöpfen.

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