Text: Noemi Harnickell

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IM KREMATORIUM

 

Ein lautes Rauschen dröhnt aus dem Hintergrund, metallenes Klappern, das Hochfahren eines Lifts. Der Lärm dumpf hinter den verschlossenen Türen. Auf den Fenstersimsen stehen Blumengestecke, hier und da brennt eine Kerze. Das Krematorium und Ort der Andacht. Und Verbrennungsanlage.

 

Silvana Pletscher, 57, ist seit sieben Jahren Geschäftsführerin des Krematoriums. Sie organisiert, erstellt Arbeitspläne, steht in Kontakt mit den Behörden und betreut Angehörige. 2020 unterstützte das Krematorium Bern punktuell auch die Waadt und das Wallis und bewältigte den Arbeitsanfall im Eineinhalb-Schicht-Betrieb.

 

«Der Verbrennungsvorgang wird elektronisch überwacht. Da stehen Kontrollnummer und Gewicht des Sargs, aber auch die Temperatur im Ofen.

 

Wir fahren den Sarg bei ungefähr 750 Grad auf die glühenden Schamottsteine ein. Sobald das Holz die Steine berührt, entzündet sich der Sarg von selber. Das ist die erste Stufe. Sie dauert 50 Minuten. In der zweiten Stufe kommt es zur Nachverbrennung. Der Ofen wird bis zu über 1000 Grad heiss. Zum Schluss fällt der Knochenkalk in die Ascheschublade und kühlt ab. Mithilfe von Magneten filtern wir Metalle aus der Asche. Nur medizinische Im- plantate aus Edelmetallen entfernen wir von Hand – eine Spezial- firma recycelt sie.

 

Die Urnen sind aus allen möglichen Materialien gefertigt. Wir haben zum Beispiel eine Öko-Urne, die aus einer Zellulose-Lignin- Verbindung besteht. Sie löst sich in der Erde auf. Dann haben wir auch hoch und niedrig gebrannte Urnen aus Ton. Hoch gebrannte Urnen lösen sich nicht auf. Wird jemand im Gemeinschaftsgrab beigesetzt, stellen wir eine wiederverwendbare Urne zur Verfügung. An jeder Urne haftet ein Urnenzeugnis – es begleitet die Urne bis zum Schluss. Quasi die Quittung.

 

Das Krematorium ist auch ein Ort für den Abschied. In unseren Aufbahrungsräumen beherbergen wir die Verstorbenen für ein paar Tage. Manche Angehörigen begleiten den Sarg auch bis vor den Ofen. Während er eingefahren wird, sprechen manche ein Gebet, andere singen oder lesen einen Text vor.

 

Stirbt jemand an Covid oder an einer anderen Infektion, schreiben wir das auf den Sarg. Wir haben in den vergangenen Monaten immer wieder Anfragen von Medien erhalten. Die Journalistinnen gingen alle davon aus, dass sich bei uns die Särge türmen. So weit ist es zum Glück nicht gekommen. In der Regel hatten wir zwischen 25 und 30 Kremationen am Tag – diese Zahl ist bis Ende Jahr stabil geblieben. Inzwischen sind die Zahlen etwas zurückgegangen. An einem Arbeitstag von achteinhalb Stunden äschern wir im Durchschnitt 16 Verstorbene ein.»



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